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Alles ‚Choco’: Tintenfisch muss heute rein in die Schokolade!
Alles ‚Choco’: Tintenfisch muss heute rein in die Schokolade!

Schokolade zu Tintenfisch mutiert!

„Lecker, Tintenfisch mit Kakao!“ Anibal lacht.

Anibal hat mir gerade die Haare geschnitten; ich will bezahlen, suche nach meinem Portemonnaie und habe eine Packung Kekse auf dem Tresen abgelegt.

„Wie??“

„‚Choco mit feinem Kakao’ steht da – ‚Choco’ ist ein portugiesisches Wort für ‚Tintenfisch’.“

„Echt? – Grandios!“ Ich finde ‚Choco’ nämlich etwas dämlich: verdenglischt, leger verkürzt, verniedlicht – ein albernes Kunstwort.

Also Recherche – und tatsächlich: Das eigenständige Wort „Choco“ gibt es nur auf spanisch und portugiesisch und bedeutet Sepia oder Tintenfisch. Auch eine kleine südamerikanische Sprachfamilie heißt so. Und laut Wikipedia kommt ‚Choco’ raus, wenn man die koreanische oder japanische Abkürzung für Schokolade ins Englische transkribiert.

‚Choco’ ging einen langen Weg: Ursprünglich war der (!) spanische ‚chocolate’ eine Übertragung des aztekischen ‚xocólatl’, des ‚bitteren Kakaowassers’. Mit Umweg über den grammatisch ebenfalls männlichen niederländischen ‚chocolade’ wurde daraus unsere weibliche ‚Schokolade’.

Bei den ‚Räubern’ des jungen Friedrich Schiller (1781) ist Schokolade noch männlich, doch die Eindeutschung beginnt: „Mir im wein oder im chokolade zu vergeben“, wütet Franz (die Kanaille). Zwei Jahre später im ‚Fiesco’: „man bringt schokolade“ – ohne Artikel. Etwa zur gleichen Zeit kalauert Gottfried August Bürger:

„Schon trommelts zur Parade! Wo bleibt die Schokolade?“

Die fettige Trinkschokolade aus Kakaobohnen war ein Luxusprodukt, der Preis hoch, das Französische modern – und ‚Schokolade’ der feinen Gesellschaft nicht fein genug: Man schrieb und sprach französisch ‚chocolat’.

1828 erfand der Holländer Casparus van Houten eine Presse zum Entölen von Kakaobohnen; sein Sohn Coenraad setzte dem Pulver Soda zu, das den bitteren Geschmack milderte. Ab 1847 kam eine englische (ausgerechnet!) Erfindung auf den Markt: Tafelschokolade! Hier wurde auch die Kakaobutter genutzt – und langsam wurde ‚chocolat’ für Normalbürger erschwinglich. Leider verunfallten diese bei Aussprache und Schreibung – zumal Französisch politisch bedingt nicht mehr en vogue war. So nutzte ein findiger flämischer Fabrikant das Holländische, um französische Eleganz teutonenkompatibel zu machen: ‚Chocolade’ heißt es nicht nur bei Hachez bis heute.

Doch heute setzen Werber und Käufer auf das Englische: ‚chocolate’. Wohl in diesem Zuge mutierte das Kinderwort ‚Schoko’ zur schein-denglischen ‚Choco’. Das ging leider schief – geschaffen ward der Mutant Sepia.

Dabei spricht es für die Schokolade (und für uns), dass wir sie sprachlich komplett integriert haben (anders als etwa Champagner oder Champignons). In meinen Ohren klingt der französische chocolat verheißungsvoll, das englische chocolate dagegen hat was von Fastfood. Und in Schweizer Schoggi kann nur Milchschokolade stecken, die sie dort erfunden haben.

Schokolade versus Choco: Her mit den Prozenten!

Aber Scho-ko-la-de – dieses Wort verspricht vollmundigen Überfluss und weit mehr ‚Prozente’ als Choco. Die Kurzform dagegen verrät, dass bei der Kakaomasse geknapst wurde: Zucker ist billiger und ‚einfacher’ für die Geschmacksnerven.

Damit hätte ‚Choco’ perfekt ins Land von ‚Grilletta’, ‚Ketwurst’ und ‚Nudossi’ gepasst: In der DDR wurde 1974 der Kakaomindestgehalt für Vollmilchschokolade von 25 auf sieben Prozent gesenkt. Die ‚Süßtafel’ kam zunächst ganz ohne aus (tintenfischfrei ohne Kakao, sozusagen). Wohl hätte ‚Choco’ den Genossen zu westlich geklungen. Doch der real existierende Sozialismus ging unter, bevor seine Kreativarbeiter ‚Tschoko Tscheka’ oder Tschokossi konstruieren konnten.

PS: Die Azteken verboten Frauen und Kindern xocólatl. Das schreit nach ewiger Empörung und Entschädigung! Da ich Spendenempfänger bin: Schokoladenspenden bitte an die bekannte Adresse.

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